Farewell, Tricky Tiger!

Bloß seinen Rennrekord hier wiederzugeben, ist sicher nicht die beste Form, einen Nachruf zu gestalten, die Zahlen kann jeder selbst nachlesen, viel mehr möchte ich zu Tricky Anekdoten und Infos erzählen, die für die meisten weniger bekannt sein dürften. Sicherlich werden dabei jedoch auch Statistiken und Ergebnisse, die sich selbst recherchieren lassen, eine Rolle spielen.

Den Anfang möchte ich mit der Sales and Racing Auktion in Iffezheim im Jahr 2005 machen. Damals wurden das Gestüt Rheinberg und einige damit verbundene Rennställe aufgelöst. Im Zuge dieser großen Auflösung kam unter anderem mit der Katalognummer 61 die 1995 geborene Mutterstute Tennessee Girl, tragend nach Next Desert zum Verkauf. Ich mochte diese Stute schon als Rennpoferd und empfahl meiner Mutter deshalb, sie zu kaufen; für €2800,- erhielt sie den Zuschlag. Wir entschlossen uns in den darauffolgenden Wochen, sie vom am Gestüt Fährhof aufgestellten Königstiger decken zu lassen. Produkt dieser Bemühung war Tricky Tiger. Bereits bei der Namensgebung machte ich mir viele Gedanken und meinte mich dabei erinnern zu können, einen ähnlichen Namen schon einmal bei einem amerikanischen Rennen gelesen zu haben - etwas verändert kam es dann zu eben dieser Namensgebung.

Tricky rückte als Jährling oder früh Anfang zweijährig bei mir in den Rennstall, damals noch in München-Riem ein. Tamara Hofer begann gerade ihre Lehre an unserem Stall und war zuvor schon jede freie Minute bei uns. Sie ritt ihn am häufigsten. Seine ersten raschen Arbeiten absolvierte er mit seinem Jahrgangsgefährten Leoderprofi, beide Hoffnungsträger meines kleinen Rennstalles. Tricky arbeitete im Herbst 2009 schon gut genug, um sein Lebensdebut zu geben. Damals war es noch üblich, in Italien zu debütieren um sich auf diesem Wege die dortige "Inländergeltung" zu verschaffen. Wir wollten Tricky also am 14. November 2009 unter Mario Esposito in Pisa erstmals an den Start bringen. Nur aus bürokratischen Gründen musste sein damaliges Antreten abgesagt werden, wir konnten ihn leider nicht nach Pisa mitnehmen. Im selben Rennen wurde dann Leoderprofi übrigens Vierter. Danach zog sich Tricky einen sehr seltenen Muskelriss entlang der Wirbelsäule zu; selten deswegen, weil der Muskel daumendick ist und daher für gewöhnlich nicht reißt. Es stand somit fest, dass er erst Dreijährig wird laufen können.

Bei seinem Sieg in Iffezheim 2011 | Photo von Murat Fischer

Im folgenden Winter übersiedelte ich von München nach Iffezheim. Tricky hatte die übersiedlung gut verkraftet und überwintert. Seine ersten vielversprechenden Galopp des neuen Jahres absolvierte er auf der für mich noch neuen Trainingsbahn unter Fredo Djaidi, meistens gegen, wie könnte es anders sein, Leoderprofi und auch gegen Wink ebenfalls ein Nachkomme von Königstiger, allerdings aus der White Nose. Mit eben diesem Wink fuhr er am 24. Mai 2010 nach Meran um nun endlich sein langst überfälliges Lebensdebut zu geben. Auch diesmal wurde jedoch nichts daraus: er weigerte sich, die Startmaschine zu betreten. Es gestaltete sich zwar immer schon etwas schwierig, ihn zu etwas zu überreden, in der Arbeit war das allerdings nie ein Thema. Nach vielen Stunden üben an der Startmaschine und am Pferdetransporter - auch da wollte er ungern rein - fuhren alle Mann am 27. Juni 2010 nach Mailand, um den talentierten Tricky endlich einmmal im Rennen laufen zu sehen. Diesmal ging an der Startmaschine nichts schief, zu dritt bugsierten Attilla (mein damaliger Futtermeister), Mustafa (Pferdepfleger) und ich den Burschen problemlos in die Box. Er sprang ab und gewann turmhoch überlegen Start-Ziel. Die Freude, dass er überhaupt endlich einmal lief und dann auch noch gewann, war ohne übertreibung riesengroß. Die Rückfahrt wurde zur Feier!

Es dauerte nur kurze Zeit bis ich den Anruf eines ehemaligen Besitzers aus Münchener Zeiten erhielt. Ich hätte ihm Tricky Tiger doch schon mal angeboten, er wäre nun doch interessiert. Ohne lange über den Kaufpreis verhandeln zu müssen, kaufte Werner Herb das Pferd. Ein sich hartnäckig haltender Husten erlaubte uns in dieser Saison nur noch einen weiteren Start. Bei diesem wurde er Vierter zu niemand geringerem denn dem jetztigen Deckhengst Cima de Triomphe; Proud Boris, den österreichischer Derbysieger und vielfachen Listen- und Gruppeplatzierten ließ er hingegen hinter sich. Vierjährig legten wir Ende April in einem Ausgleich 2 los. Damals gab es insgesamt noch €15.000,-, davon €8000,- für den Sieger in dieser Klasse. Wir wurden in diesm 14er Feld Zweiter hinter dem späteren Gruppesieger Sommerabend. Sein nächster Start war ein Sieg im Ausgleich 2 in Baden-Baden. Auch hier wieder unbeschreibliche Freude bei Besitzern, Team und mir; schließlich war das mein erster Sieger überhaupt auf meiner nunmehrigen Heimatbahn. Danach ging es wieder nach Mailand, wo wir nur unglücklich, weil zu früh in Front, Zweiter wurden. In dieser Phase führte er seine höchste Ausgleichsmarke von 76kg GAG. Zurück in Baden ging wir er als Favorit in den Ausgleich 1 und beendete ihn als Vierter. Auch da wäre vielleicht etwas mehr drin gewesen.

Bei seinem Sieg in München 2013 | Photo von Lajos-Eric Balogh

Fünfjährig begann er zwar gut, zeigte auch jedoch nicht mehr ganz als das Pferd der Jahre zuvor. Er wurde mit sich selbst unzufrieden; in der Arbeit pullte er mehr denn je, in der Box wollte er beißen und schlagen, wurde beim Beschlagen immer schwieriger zu betreuen. Nach wie vor musste man ihn beim Verladen überzeugen und ihm beim Einrücken in die Startmaschine helfen. Es war an der Zeit, ihn legen zu lassen.

Es kam zu einem Besitzwechsel; Christian Bockelmann, Besitzer vom Stall Brasilien erwarb den kurz darauf zum Wallach gewordenen. Im Rennen stellten wir die Taktik um: er wurde fortan streng auf Warten geritten und gewann in der Folge vier seiner neun Starts in dieser Saison (drei davon in Frankreich) des weiteren war er zweimal platziert. Wirtschaftlich wurde Fünfjährig seine erfolgreichste Saison. Als Christian Bockelmann und ich im Hochsommer des Jahres 2013 gemeinsam nach Vittel fuhren, trauten wir unseren Augen im Einlauf nicht: unser Tricky Tiger ging im Endkampf Kopf-an-Kopf mit einem von Werner Hefter trainierten Pferd und unser Jockey brauchte dafür keinen Finger zu rühren, ganz im Gegenteil, der Bursche hielt sich regelrecht am Halsriemen fest. Es kam zu einer Zielfotoentscheidung. Unser ärger über das Nichtstun unseres Reiters war groß, wir waren förmlich außer uns. Es stellte sich jedoch heraus, dass unser Jockey Thibault Dachis eine Schulterluxation hatte und sich deswegen nicht rühren konnte. Der Zielphotoentscheid fiel Gott sei Dank zu unseren Gunsten aus; Ende gut, alles gut.

Bei seinem Sieg in Dresden 2015 | Photo von Frank Sorge

Ende des Jahres wechselte er ein weiteres Mal den Besitzer, diesmal zu Stephan Schreiber. Wir begannen diese Saison, da wir aufgrund des überragenden Vorjahres sehr hoch standen, im Verkaufsrennen in Lyon. Stephan wollte zu diesem Anlass gerne den Ablauf besser kennenlernen und fuhr im Pferdetransporter mit zum Renntag. Wir genossen sehr angenehme Gaspräche und kamen ohne Komplikationen auf der Rennbahn an. Wie üblich wurde Tricky nach dem langen Transport in seine Box gebracht, abgeführt, danach alles fürs Rennen vorbereitet, also auch die Rennkiste, Renntrense etc. vor seine Gastbox gestellt. Als alles soweit vorbereitet war und wir zum Mittagesen gingen, fragte mich Stephan ganz verwundert, ob ich all diese Sachen vor der Box liegen lassen würde, er meinte, es könnte uns doch etwas davon abhanden kommen; woraufhin ich ihm ganz souverän mitteilte, in Frankreich käme auf den Rennbahnen prinzipiell nichts weg. Dem war diesmal anders: Das Rennen war gelaufen, wir blieben unplatziert und machten alles fertig, um die Heimreise anzutreten, das heißt, alle Sachen wieder zurück ins Auto. Nur dem Pferd ließen wir noch etwas Zeit, sich von dem Rennen zu erholen. Als wir von einem kleinen Snack zurückkamen, präsentierte sich Trickys Box sperrangelweit offen - und leer. Stephan stand mit großen Augen völlig erstarrt neben mir. Das könne nur ein Missverständnis sein, er taucht bestimmt gleich wieder auf, meinte ich, und durchsuchte alle Boxen, fragte alle noch anwesenden Leute. Unser Pferdepass war da, unser Pferd jedoch weg. Soviel also zu der Behauptung, auf den französischen Rennbahnen würde verschwinden.
Nach vielen Telephonaten, Wegen und langer Ungewissheit stellte sich heraus, dass unser Tricky verwechselt wurde und sich auf am Weg nach Marseille zu Franck Foresi befand. Na Prost Mahlzeit, dachte ich mir. Nicht nur, dass man sich Gedanken macht, was die Kollegen denn mit unserem Pferd angestellt haben - bekanntlich ist er ja nicht gerade einfach zu verladen - vielmehr tauchte nun auch die Frage auf, wielange es dauern würde, bis er den Weg zurück auf die Rennbahn findet. Wir hatten schließlich alle am nächsten Tag wieder zur Arbeiten zu erscheinen, Stephan in der Firma, ich im Stall. Zum Glück ging dann eigentlich doch alles recht flott, bis wir wieder los konnten; völlig übermüdet, nach einem anstrengenden Tag. Nach einer Weile Fahrt, bot Stephan sich an, das Steuer des Transporters zu übernehmen. Er weckte mich, als wir knapp vor der deutschen Grenze waren und fragte mich, wieweit man ab dem Moment, an dem Tankuhr aufleuchtet, noch fahren könne. Etwa 70, 80km meinte ich. Soweit kamen wir leider nicht.

Also hieß es jetzt auch noch ein Warndreieck aufzustellen, die Warnjacke anzuziehen und Diesel von der etwa drei Kilometer entfernten Tankstelle zu holen; mitten in der Nacht wohlgemerkt. Stephan rief mich dann nach etwa einer halben Stunde an, wo ich denn bleiben würde, seiner Berechnung nach müsste ich wieder zurück sein. Diese Aufmunterung war eigens noch einmal geeignet, meine Stimmung zu heben Dennoch kamen wir mit zwar viel Verspätung eben aber wohlbehalten an. Tricky war während des Transports zwar manchmal am Schauckeln, blieb generell aber immer enorm brav. An dem Tag musste er leider einiges mitmachen mit uns Menschen. Trotz einiger ordentlicher Formen blieb er siebenjährig sieglos. Dafür bereitete Tricky Stephan im darauffolgenden Jahr, also achtjährig doppelt Freude. Er gewann ein schönes Rennen in Divonne und, was natürlich noch viel, viel mehr zählte, in Dresden (nahe Stephans Heimatort) einen Ausgleich 2. Lange im Voraus geplant, nach Ansage vor der gesamten Familie. Ein machte Mal hat er nicht nur seinem Besitzer eine riesen Freude.

Nach seinem Sieg in Strasbourg 2017

Im darauffolgenden Jahr lief er nochmal kurz für Hernsteiner Interessen, bevor er in Kerstin Heitz seine letzte Besitzerin im Rennsport fand - und den ersten Start in neuen Farben in Divonne-les-Bains auch prompt wieder gewann. Auch zehn- und elfjährig fand er sich jeweils noch ganz oben am Siegertreppchen und verdiente seinen Hafer.
In neun Rennjahren konnte er bei 71 Starts elfmal gewinnen und brachte 31 weitere Male Geld aus dem Rennen. Seine Gesamtgewinnsumme beträgt €106 380,-. Mitte letzten Jahres entschieden wir (Kerstin, ihre Familie und ich), ihn Ende des Jahres, elfjährig wohlbehalten in Rente zu schicken. Er benötigte (von erwähnter Verletzung vor Beginn seiner Karriere abgesehen) mehr oder weniger nie einen Tierarzt, war immer gesund, sieht immer noch aus wie das blühende Leben. In genau solcher Verfassung wollten wir ihn aus dem Rennsport entlassen. Er ist nun in Frankreich Koppelpferd und kann seine Jahre dort hoffentlich genießen. Verdient hat er es sich.
Mit dem dreijährigen Trouble Tiger, ebenfalls einem Tennessee Girl-Sohn, steht auch schon sein potentieller Nachfolger bereit.

Trickjy Tiger war mein erster Sieger in Frankreich, mein erster Sieger im Tierce (2. Abteilung) und mein erster Sieger in Baden; er konnte die zweimal unsere Stallpoule gewinnen, brachte neue Besitzer an meinen Stall und ehemalige zurück; manche derart motiviert, um anschließend noch höhere Ziele zu verfolgen. Ich als Trainer habe ihm trotz seiner Eigenheiten viel zu verdanken und werde ihn immer in guter Erinnerung behalten.

Starter


Sonntag, 24. März
Nancy
3.R.
Vizindi
8.
Kontakt: An der Rennbahn 8-9, 76473 Iffezheim | Tel: +49/(0)176/ 205 70 115 | Email: gerald.geisler@gmx.de